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VSS 10 2015

Fahrzeugrückhaltesysteme: Bieten höhere Aufhaltestufen tatsächlich mehr Sicherheit? Passive Schutzeinrichtungen, besonders Fahrzeugrückhaltesysteme, leisten einen wesentli­ chen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Die Systeme werden durch Anfahrprüfungen auf ihre Tauglichkeit hin getestet. In diesen Anfahrtests werden die Leistungsparameter in Bezug auf verschiedene Eigenschaften ermittelt. Eine der wichtigsten Funktionen von Fahrzeugrückhalte­ systemen ist es, analog der Knautschzone bei Personenwagen, möglichst viel Aufprallenergie durch Verformung aufzufangen. Durch die Verformung wird ein wesentlicher Teil der Anprall­ energie vernichtet, was den Fahrzeuginsassen direkt zugute kommt. Das heisst im Umkehr­ schluss: Je weniger elastisch ein System ist, desto höhere Kräfte wirken auf die Körper der Fahrzeuginsassen ein und das Verletzungsrisiko bzw. die Verletzungsschwere erhöht sich. In Anprallversuchen werden nebst vielen anderen Parametern die Kräfte, die auf den Körper wirken, aufgezeichnet. Die Schwere der Beschleunigung wird in ASI-Werten (Acceleration Severity Index) festgestellt. Der ASI-Wert wird in den drei Anprallhef- tigkeitsstufen A, B und C dargestellt, wobei der Wert A die kleinste und der Wert C die höchste Belastung für die Körper von Fahrzeuginsassen darstellt. Die Anprallheftigkeitsstufe A ist nicht nur aufgrund der Verlet- zungsrisiken vorzuziehen. Denn je härter das System ist, desto grösser ist die Gefahr, vom Fahrzeugrückhaltesystem abzupral- len und in den Verkehr zurückgeworfen zu werden. Bei völlig starren Fahrzeugrückhalteeinrichtungen kann sich ein Fahr- zeug sogar überschlagen. Die Verformung benötigt aber auch Raum. Dieser Raum, den ein Fahrzeugrückhaltesystem durch seine dynamische Verformung beansprucht, wird «Wirkungsbereich» genannt. Je grösser der Wirkungsbereich eines Rückhaltesystems ist, desto mehr Raum wird beansprucht. Mittels Anfahrtests werden für die verschiedenen Fahrzeug­ rückhaltesysteme Aufhaltestufen definiert. So wird z.B. für die Aufhaltestufe H1 unter anderem ein erfolgreicher Anfahrver- such mit einem 10-Tonnen-LKW bei 70 km/h im Winkel von 20 Grad verlangt. Für die Aufhaltestufe H2 ist ein bestandener Anprallversuch mit einem 13-Tonnen-Reisebus in derselben Geschwindigkeit mit einem Anprallwinkel von 20 Grad erfor- derlich. In der Schweiz stehen Systeme zur Verfügung, die diese Auf- haltestufen erfüllen. Wenn im realen Unfallgeschehen die Fahrzeuggewichte höher und die Anprallwinkel steiler sind wie im Anprallversuch, erhöht sich unter Umständen deut- lich die dynamische Durchbiegung. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Fahrzeug ins Schleudern gerät. Schleuder­ unfälle mit Lastwagen oder Reisebussen auf Nationalstrassen DE sind jedoch sehr selten. Solche Unfälle haben aber oft grosse Auswirkungen. Verkehrsunfälle, bei denen ein LKW die Mittelstreifen durchbricht und auf die gegenüberliegende Fahrbahn kommt, ge- hören zu den tragischsten Unfallarten, da völlig unbeteiligte Personen zu Schaden kommen können. Die Bilder sind dann auch auf den Titelsei- ten der Medien zu finden, wodurch auch die Gefahr besteht, dem Vorfall im Rahmen der gesamten Verkehrs­sicherheit eine überproportionale Bedeutung beizumessen. Die Praxis Im Folgenden wird die Thematik anhand von realen Unfall­ situationen näher betrachtet. Am 19. August 2015 kollidierte auf der A1 bei Gunzgen ein Sattelmotorfahrzeug in steilem Anprallwinkel mit dem Fahrzeugrückhaltesystem am Mittel- streifen. Es handelte sich um das System «Vario-Guard» mit der Aufhaltestufe H1 und dem Wirkungsbereich W6. Dieses wurde um mehrere Meter in die Gegenfahrbahn geschoben. Dadurch kollidierten drei Fahrzeuge mit dem System. Auf- grund des relativ weichen Anpralls blieb der LKW-Fahrer un- verletzt. Auf der Gegenfahrbahn wurde eine Person durch die Kollision mit der verschobenen Stahlschutzwand leicht ver- letzt. Dass der LKW-Fahrer unverletzt aus seinem Fahrzeug steigen konnte, war wohl nur durch ein System möglich, das sich bei Bedarf erheblich verformen kann. Stahlsysteme sind in dieser Hinsicht besonders leistungsfähig. So hat trotz den extremen Lasten, die auf das Fahrzeugrückhal- tesystem eingewirkt haben, kein Durchbruch des Systems statt- gefunden. Das stellt für die Sicherheit der Gegenspur eine grund- legende Voraussetzung dar. Stahlschutzwände sind nur an den Enden (Zugbandwirkung) am Boden verankert und bieten durch ihre Flexibilität eine besonders hohe Durchbruchsicherheit. In VON HERMANN WENGER Leiter Geschäftsstelle Verband Schweizerischer Leitschrankenunter­ nehmungen (VSLU) FACHARTIKEL ARTICLES TECHNIQUES30 STRASSEUNDVERKEHRNR.10,OKTOBER2015 ROUTEETTRAFICNo 10,OCTOBRE2015

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