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VSS 11 2014

Verändertes Konsumverhalten in der Mobilität: Auswirkungen auf die Autobranche Muss sich die Branche neu erfinden? Bezogen auf die Vergangenheit und die Gegenwart ver- fügt die Schweiz über einen weltweit einmaligen Datenbestand zu Führerausweisen, zur An- zahl immatrikulierter Personenwagen und zum Nutzerverhalten. Ziel dieses Beitrages ist es, einige Datengrundlagen für die äusserst schwierige Frage bereitzustellen, ob es sich bei den aktuell breit diskutierten Entwicklungen wie Digitalisierung, Sharing Economy, Rückgang des Interesses der Jugendlichen am Automobil, demografischer Wandel um «kurzzeitige Trends» oder einen «langfristiger Wandel» für die Automobilbranche handelt. Das Nutzerverhalten wird bereits seit 1974 durch den Mikrozensus Mobilität und Ver- kehr alle fünf Jahre erfasst (BFS/ARE, 2012). Anhand dieser thematischen Erhebung im Rahmen der schweizerischen Volkszählung und weiterer Datenquellen kann die aktuelle Diskussion im Themenfeld der Automobilität und des Konsumverhaltens versachlicht werden. Eins vorweg: Die Vielzahl an Trends zeigt keine generelle Abkehr vom Au- tomobil. Die Dominanz des Automobils bleibt weiter bestehen. Verschiedene Entwicklungen eröffnen der Automobilbranche jedoch neue Chancen: Insbesondere im städtischen Raum, wo verschiedene Verkehrsmittel nicht nur gegeneinander und nebeneinander, sondern auch kombiniert und nacheinander verkehren. Hier kann die Branche vermehrt als Mobilitäts- dienstleister auftreten, sich neue Geschäftsfelder erschlies- sen und so eine zukunftsfähige Mobilitätslandschaft in der Schweiz aktiv mitgestalten. Die gesamte Schweiz hat auf den Vordersitzen Platz! Im Jahre 2014 sind 4320885 Personenwagen in der Schweiz immatrikuliert. Die Durchsetzung des Personenwagens vom «Freizeitmobil der Reichen» zum «Alltagsgegenstand verbrei- tet in allen Bevölkerungsschichten» ist gekoppelt an das Wirt- schaftswachstum der 1960er-Jahre und an die Stadtflucht mit dem Wunsch nach dem Haus im Grünen. Vornehmlich Männer pendelten ab den 1960er-Jahren vermehrt zwischen Eigenheim in der Agglomeration und der Arbeit in den Zentren. Das Zweit- auto war dann eine Möglichkeit, der Isolation der «grünen Wit- wen» auf dem Land entgegenzuwirken, was eine zusätzliche Nachfrage nach Zweitwagen auslöste. Seit der Durchsetzung des Automobils als Massengut in den 1960er-Jahren hat die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz von 4,7 Mio. auf rund 8 Mio. Einwohner zugenommen. Neben einem steigenden Motorisierungsgrad von 441 im Jahre 1990 auf 537 Personenwagen pro 1000 Einwohner im Jahre 2013 war das Bevölkerungswachstum ein zentraler Treiber der DE Nachfrage. Doch wie wird sich dieser Nach- fragetreiber bis ins Jahr 2030 entwickeln? Bevölkerungsszenarien gründen auf den drei zentralen Einflussgrössen Fertilität (Geburten- rate), Mortalität (Lebenserwartung) und Zu- wanderung (Wanderungssaldo). Für das Jahr 2030 kann bei einem als stabil angenommenen Motorisierungsgrad von 537 Personenwagen pro 1000 Einwoh- ner je nach Szenario der Bevölkerungsentwicklung (hoch, mittel oder tief) mit einem Fahrzeugbestand zwischen 4,2 und 5,1 Mil- lionen Personenwagen gerechnet werden (siehe Abb. 1). Abgesehen vom tiefen Wachstumsszenario, bleibt der gene- relle Wachstumstreiber der Automobilindustrie durch die Bevölkerungsentwicklung intakt. Aktuell gibt es einen Gebur- tenüberschuss von jährlich 18000 Menschen in der Schweiz. Das Bevölkerungswachstum ist aber je nach Szenario auch stark beeinflusst durch die Zuwanderung. Mit der am 9. Ja- nuar durch das Stimmvolk angenommenen Zuwanderungs- initiative erscheint derzeit das tiefere Wachstumsszenario realistischer. Die Bevölkerungsentwicklung ist zwar ein wichtiger Leitindikator für die Nachfrage nach Personen- wagen, greift aber viel zu kurz, weswegen nachfolgend der Blick auf diverse Trends gerichtet werden soll. Trends in der Automobiltät Wie sind Frau und Herr Schweizer aktuell mit dem Perso- nenwagen unterwegs? Im Alltag – also ohne Reisen – werden zwei Drittel aller Distanzen mit dem Personenwagen zurück- gelegt. Davon vier von zehn Kilometern in der Freizeit und dies durchschnittlich zu zweit. Der Erstwagen hat eine Jah- resfahrleistung von 13000 Kilometern, der Zweitwagen eine von 8000 Kilometern. Bezogen auf den Motorisierungsgrad mit Personenwagen, den Anteil an den Tagesdistanzen, den Besetzungsgrad und die Jahresfahrleistung der Personenwa- gen kann bei der Automobilität in den letzten 20 Jahren eine gewisse Konstanz unterstellt werden (BFS/ARE, 2012). Die Dominanz des Automobils ist ungebrochen. Doch was hat sich in den letzten Jahren auf der Nutzerseite noch getan? VON DR. TIMO OHNMACHT Dr. phil., Dipl. soz. tech. Dozent & Projektleiter Kompetenzzentrum für Mobilität, Hochschule Luzern – Wirtschaft FACHARTIKEL ARTICLES TECHNIQUES 31

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